Mitte der achtziger Jahre gab es erste Erkenntnisse über die Beteiligung von mutierten Kinasen an Krebserkrankungen. Und so versuchte ein kleines Team von Chemiker einfache Moleküle herzustellen, die möglichst genau auf jeweils eine ganz bestimmte Kinase wirken.
Sie testeten tausenden Varianten auf ihre Einsatzfähigkeit in Zellen und Kulturen und hatten so Anfang der 90er Jahre dutzende Moleküle gefunden, die sehr spezifisch an verschiedene Kinasen banden.
In Boston erforschte zur gleichen Zeit der Onkologe Brian Druker in Boston, die von einer bestimmten Kinase (Bcr-Abl, Philadelphia Chromosom) verursachte chronische myeloische Leukämie (CML – einfach gesagt: zu viele Leukozyten, im Blut). Als er von der Sammlung in Basel erfuhr, schlug er dem Team in Basel eine Zusammenarbeit vor. Leider konnten sich die Anwälte der beiden Seiten nicht einig werden und so wurde das Projekt zurückgestellt.
1993 wechselte Bruker von Boston nach Portland und setzte sich erneut mit dem Team aus Basel in Verbindung. Diese waren in der Zwischenzeit nicht untätig und hatten weitere Kinasehemmer hergestellt, darunter ein Molekül, das vermutlich mit hoher Selektivität (nur an dem Zielprotein und nicht im ganzen Körper) an das Protein Bcr-Abl bindet. Mit der Erfahrung aus seinem ersten Versuch in Boston, gelang es Bruker diesmal ohne größere Probleme, eine erste Lieferung des fraglichen Kinsaehemmers aus Basel zu bekommen.
Er machte ein erstes Experiment mit CML Zellen in der Petrischale und konnte bereits über Nacht sehen, wie die Krebszellen alle starben. Im nächsten Schritt gab er Mäusen mit CML den Wirkstoff, und auch hier konnte er beobachten, wie sich die Tumore über wenige Tage zurückbildeten. Nun entnahm er seinen Patienten frische Knochenmarkproben und behandelte die Zellen ebenfalls in der Petrischale. Und auch hier waren nach kurzer Zeit keine Krebszellen mehr zu finden. In der Petrischale ließ sich die CML also heilen.
Doch statt Begeisterungsstürme über ein mögliches Medikament zur Behandlung der CML, kam aus Basel ein Nein zur weiteren Entwicklung des gefundenen Moleküls zu einem humanen Arzneimittel. Zu groß der Aufwand zur Erforschung des möglichen Wirkstoffes für die kleine Gruppe der CML Patienten (1,6 Neuerkrankungen pro 100.000 / Jahr). Zu teuer der lange Weg der Testreihen, Tierversuche und klinischen Studien.
Doch Druker gab nicht auf. Die kleine Firma in Basel war mittlerweile fusioniert und nannte sich nun Novartis. 1998 gab Novartis endlich nach und stellte Bruker ein paar Gramm des Moleküls zur Verfügung, sodass dieser in der Lage war, mit einem kleinen Team von Ärzten eine erst Studie durchzuführen.
Im Winter 1998 verabreichte das Team den ersten freiwilligen Patienten (es gab damals keine wirksamen Therapien, daher war die Bereitschaft sich als Versuchskaninchen zur Verfügung zu stellen hoch) die ersten Dosen. Die Patienten reagiert alle ähnlich, innerhalb weniger Wochen waren die Leukozytenwerte wieder normal.
Ende 2000 wurde bekannt, dass Imatinib neben Bcr-Abl noch eine weitere Kinase blockieren kann: c-Kit. In den ersten Versuchen an GIST Patienten zeigte sich Imatinib so wirksam, dass sich die Placebokontrollgruppe nicht länger rechtfertigen ließ und alle Patienten das neue Medikament bekamen.
2002 wurde Imatinib (Glivec) in Deutschland zur Behandlung von gastrointestinalen Stromatumoren (GIST) zugelassen.
Quelle: Der König aller Krankheiten, Siddhartha Mukherjee
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